Eine Einführung in das Thema Trauma

Apr 9, 2024

Trauma – Eine Einführung in die Thematik

Lesedauer: etwa 6 bis 8 Minuten

Erinnern Sie sich an den 11. September 2001, als die Terroranschläge in den USA stattfanden und viele Menschen ums Leben kamen? Auch wenn Sie nicht persönlich betroffen waren, könnten die Berichte und Bilder bei Ihnen tiefe Betroffenheit ausgelöst haben. Für diejenigen, die Zeugen dieser schrecklichen Ereignisse waren oder sich in der Nähe des Geschehens befanden, veränderte sich ihre Welt von einem Moment auf den anderen. Angesichts der Tragweite dieses Vorfalls ist es verständlich, dass viele Menschen, die den Anschlag miterlebten, traumatisiert wurden.

Aber was genau versteht man unter einem Trauma? Und warum sind einige Menschen stark davon belastet, während andere scheinbar besser mit der Erfahrung umgehen können? In diesem Artikel erläutern wir die Definition von Trauma, wie Traumafolgestörungen entstehen und welche Schutz- und Risikofaktoren eine Rolle spielen.

Was ist ein Trauma?

in Trauma ist eine tiefgreifende psychische Verletzung, die durch extreme, bedrohliche oder überwältigende Ereignisse ausgelöst wird. Solche Erfahrungen übersteigen die Bewältigungskapazitäten des Menschen und lösen Gefühle von Ohnmacht und Kontrollverlust aus. Typische Beispiele sind Naturkatastrophen, schwere Unfälle, körperliche oder sexuelle Gewalt, Terroranschläge, Krieg oder Entführungen. Auch emotionale Vernachlässigung oder Demütigung in der Kindheit kann langfristige traumatische Auswirkungen haben (Herman, 1992).

Traumatische Erlebnisse können nicht nur bei den direkt Betroffenen auftreten. Auch Menschen, die als Augenzeugen oder Angehörige das Ereignis miterleben, können davon betroffen sein. In der Fachliteratur wird Trauma oft als "außergewöhnliches Ereignis" beschrieben, das die normalen Anpassungsfähigkeiten des Menschen überfordert (Ehlers, 1999). Dabei handelt es sich um eine sehr individuelle Erfahrung – was für eine Person traumatisierend ist, mag für eine andere weniger belastend sein.

Wie entstehen Traumata?

Wenn Menschen mit extrem belastenden Situationen konfrontiert werden, reagiert ihr Körper mit einer Notfallreaktion. Diese „Kampf- oder Flucht“-Reaktion aktiviert das sympathische Nervensystem, wodurch Stresshormone wie Adrenalin und Cortisol freigesetzt werden. Diese Hormone bereiten den Körper darauf vor, entweder zu fliehen oder sich zu wehren. Wenn jedoch weder Flucht noch Kampf möglich sind, kommt es häufig zu einer „Erstarrung“, bei der der Körper in eine Art Schockzustand gerät.

Ein weiteres Phänomen, das oft im Zusammenhang mit Traumata auftritt, ist die Dissoziation. Viele Betroffene berichten, dass sie während oder nach dem Ereignis das Gefühl hatten, von ihrem Körper oder ihrer Umgebung „abgetrennt“ zu sein. Diese Dissoziation dient als Schutzmechanismus, der dem Gehirn hilft, extremen Schmerz oder Angst zu bewältigen. Wenn traumatische Erlebnisse nicht verarbeitet werden, können solche dissoziativen Zustände langfristig bestehen bleiben und das Alltagsleben beeinträchtigen (Van der Kolk, 2014).

Arten von Traumata

Traumatische Erfahrungen lassen sich in zwei Hauptkategorien unterteilen:

Typ-I-Traumata:

Diese entstehen durch einmalige, plötzliche Ereignisse, wie einen schweren Verkehrsunfall oder eine Naturkatastrophe. Da solche Erlebnisse unerwartet auftreten, hinterlassen sie oft tiefe Spuren im psychischen Empfinden. Die Verarbeitung solcher Traumata benötigt Zeit, und viele Betroffene erleben Flashbacks oder anhaltende Erinnerungen (Frommberger, Angenendt & Berger, 2014).

Typ-II-Traumata:

Diese Form von Traumata entsteht durch wiederholte und anhaltende Belastungen, wie Missbrauch, häusliche Gewalt oder das Leben in einem Kriegsgebiet. Menschen, die diesen Stressoren ausgesetzt sind, entwickeln häufig schwerwiegendere psychische Störungen. Langfristige Traumata können tiefgreifende Veränderungen der Persönlichkeit verursachen, wie sie bei der komplexen posttraumatischen Belastungsstörung (kPTBS) auftreten.

Traumafolgestörungen

Nicht jeder Mensch, der ein traumatisches Erlebnis durchmacht, entwickelt zwangsläufig eine Traumafolgestörung. Wenn dies jedoch der Fall ist, kann die posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) die bekannteste und am häufigsten diagnostizierte Folge sein. Zu den Hauptsymptomen von PTBS gehören Flashbacks, Albträume, Vermeidungsverhalten und ein Gefühl ständiger Anspannung oder Wachsamkeit. Betroffene sind oft unfähig, sich zu entspannen, da sie in einem Zustand dauerhafter innerer Alarmbereitschaft leben (Ehlers, 1999).

Neben PTBS gibt es weitere mögliche Traumafolgestörungen. Dazu gehören:

Depressionen:

Traumata können die Grundlage für langfristige depressive Zustände schaffen, in denen Betroffene ein Gefühl von Hoffnungslosigkeit und tiefem emotionalem Schmerz verspüren.

Angststörungen:

Traumatisierte Personen entwickeln häufig starke Ängste, insbesondere im Zusammenhang mit den Orten, Menschen oder Situationen, die an das traumatische Erlebnis erinnern.

Suchtprobleme:

Manche Betroffene neigen dazu, Substanzen wie Alkohol oder Drogen zu verwenden, um die traumatischen Erinnerungen zu betäuben oder ihre emotionalen Schmerzen zu lindern.

Psychosomatische Beschwerden:

Körperliche Symptome wie chronische Schmerzen oder Magen-Darm-Beschwerden können ebenfalls Folge eines Traumas sein.

Besonders bei wiederholten und langfristigen Traumata wie Typ-II-Traumata kann es zur Entwicklung einer komplexen posttraumatischen Belastungsstörung (kPTBS) kommen. Diese ist durch zusätzliche Symptome wie emotionale Instabilität, Schwierigkeiten im zwischenmenschlichen Bereich und ein negatives Selbstbild gekennzeichnet (Van der Kolk, 2014).

Risikofaktoren für die Entwicklung einer Traumafolgestörung

Warum entwickeln einige Menschen nach einem Trauma eine Störung, während andere das Erlebte besser verarbeiten können? Dies hängt von verschiedenen Faktoren ab, die das individuelle Risiko einer Traumafolgestörung beeinflussen:

Schwere und Dauer des traumatischen Erlebnisses:

Je extremer und langanhaltender das Trauma, desto größer das Risiko, dass sich eine PTBS entwickelt.

Gefühl der Hilflosigkeit:

Wenn Betroffene sich dem Ereignis vollkommen ausgeliefert fühlen, kann dies die Wahrscheinlichkeit erhöhen, eine Traumafolgestörung zu entwickeln.

Frühere Traumatisierungen:

Personen, die bereits früher traumatische Erlebnisse hatten, sind anfälliger für weitere Traumafolgestörungen (Yehuda, 2004).

Mangelnde soziale Unterstützung:

Das Fehlen eines stabilen sozialen Umfelds kann die Verarbeitung des Traumas erschweren und das Risiko langfristiger psychischer Störungen erhöhen.

Schutzfaktoren

Genauso wie es Risikofaktoren gibt, existieren Schutzfaktoren, die das Risiko einer Traumafolgestörung verringern können. Zu den wichtigsten Schutzfaktoren gehören:

Soziale Unterstützung:

Menschen, die nach dem traumatischen Erlebnis emotionale Unterstützung von Familie, Freunden oder professionellen Helfern erhalten, haben bessere Chancen, das Trauma zu verarbeiten (Frommberger et al., 2014).

Offene Kommunikation:

Die Möglichkeit, über das Erlebte zu sprechen, trägt entscheidend zur Verarbeitung bei.

Resilienz:

Die Fähigkeit, sich nach belastenden Ereignissen wieder zu erholen, ist ebenfalls ein wesentlicher Schutzfaktor. Resiliente Menschen sind besser in der Lage, sich von einem Trauma zu erholen.

Traumatherapie und Behandlungsmöglichkeiten

Die Behandlung von Traumafolgestörungen erfordert oft professionelle Unterstützung. Eine der effektivsten Therapieformen ist die traumafokussierte kognitive Verhaltenstherapie (Tf-KVT), die darauf abzielt, die negativen Gedanken und Emotionen im Zusammenhang mit dem Trauma zu verändern. Eine weitere anerkannte Methode ist EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing), bei der traumatische Erinnerungen mithilfe geführter Augenbewegungen verarbeitet werden.

Neben diesen Ansätzen können auch körperorientierte Verfahren wie Yoga oder Somatic Experiencing hilfreich sein. Solche Methoden ermöglichen es den Betroffenen, das Trauma auf einer körperlichen Ebene zu verarbeiten und Spannungen abzubauen, die sich in der Muskulatur und im Nervensystem festgesetzt haben (Van der Kolk, 2014).

Fazit

Traumatische Erlebnisse können tiefgreifende Auswirkungen auf das Leben der Betroffenen haben. Während einige Menschen in der Lage sind, diese Erlebnisse zu verarbeiten, leiden andere unter langfristigen Folgen wie PTBS oder anderen Traumafolgestörungen. Schutzfaktoren wie soziale Unterstützung und Resilienz spielen eine entscheidende Rolle in der Verarbeitung eines Traumas.

Frühzeitige professionelle Hilfe kann dazu beitragen, die langfristigen Folgen zu mildern und den Betroffenen zu helfen, wieder Lebensqualität zu erlangen. Wenn Sie selbst oder jemand in Ihrem Umfeld traumatische Erlebnisse durchlebt haben, ist es wichtig, sich nicht zu scheuen, Unterstützung zu suchen.

Quellen:

Ehlers, A. (1999). Posttraumatische Belastungsstörung. Göttingen: Hogrefe.

Frommberger, U., Angenendt, J., & Berger, M. (2014). Posttraumatische Belastungsstörung – eine diagnostische und therapeutische Herausforderung. Deutsches Ärzteblatt, 11(5), 59-66.

Herman, J. L. (1992). Trauma and Recovery: The Aftermath of Violence--From Domestic Abuse to Political Terror. Basic Books.

Van der Kolk, B. (2014). The Body Keeps the Score: Brain, Mind, and Body in the Healing of Trauma. Penguin Books.

Yehuda, R. (2004). Risk and resilience in posttraumatic stress disorder. The Journal of Clinical Psychiatry, 65, 29-36.

https://www.therapie.de/psyche/info/index/diagnose/trauma/definition-trauma

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