ADHS im Faktencheck

Es wird viel über ADHS und ihre Symptome geredet, doch was ist wirklich dran? Wir machen den Faktencheck

Apr 1, 2022

Mythos versus Realität: ADHS im Faktencheck

Lesedauer: etwa 4 bis 6 Minuten

Haben Sie sich jemals dabei ertappt, ständig Ihre Schlüssel zu verlegen, unruhig auf Ihrem Stuhl hin- und herzuwippen oder Aufgaben immer wieder aufzuschieben? Vielleicht haben Sie sich sogar gefragt: "Ist das noch normal?" Wenn ja, sind Sie nicht allein.

Viele Menschen erleben solche Momente der Zerstreutheit und Unruhe, aber nicht jeder, der leicht abgelenkt ist oder unter innerer Unruhe leidet, hat eine Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS). Dennoch sind diese Symptome oft Gegenstand von Missverständnissen und Mythen, die es wert sind, überprüft zu werden.

Was ist ADHS?

ADHS ist eine neurobiologische Entwicklungsstörung, die durch ein anhaltendes Muster von Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität gekennzeichnet ist. Diese Symptome treten bereits im Kindesalter auf und können bis ins Erwachsenenalter fortbestehen. ADHS kann das Alltagsleben erheblich beeinträchtigen und führt oft zu Schwierigkeiten in der Schule, im Berufsleben und in sozialen Beziehungen.

Lassen Sie uns klären, was genau sich hinter dieser Erkrankung verbirgt und was nicht:

Die Kernsymptome von ADHS im Detail

Aufmerksamkeitsstörungen: Menschen mit ADHS haben Schwierigkeiten, sich längere Zeit auf eine Aufgabe zu konzentrieren. Sie sind leicht ablenkbar, vergessen häufig Termine oder verlieren Gegenstände. Diese Schwierigkeiten können sich in Form von unvollendeten Aufgaben, mangelnder Detailgenauigkeit oder dem häufigen Wechsel von Aktivitäten zeigen. Die Unaufmerksamkeit kann so ausgeprägt sein, dass sie den Alltag erheblich beeinträchtigt. Betroffene können sich bei längeren Gesprächen schnell verlieren oder Desinteresse zeigen, was oft missverstanden wird.

Hyperaktivität: Hyperaktivität ist bei ADHS nicht nur eine reine "Überaktivität", sondern oft ein Ausdruck von innerer Unruhe. Kinder mit ADHS sind oft ständig in Bewegung, klettern oder laufen herum, auch wenn dies unangebracht ist. Bei Erwachsenen äußert sich Hyperaktivität häufig als Gefühl der inneren Unruhe oder das ständige Bedürfnis, beschäftigt zu sein. Dies kann sich in hektischer Aktivität, in der Unfähigkeit, still zu sitzen, oder in der ständigen Suche nach neuen Reizen zeigen.

Impulsivität: Impulsivität führt dazu, dass Menschen mit ADHS oft unüberlegte Entscheidungen treffen oder Handlungen ohne Rücksicht auf die Konsequenzen ausführen. Dies kann sich in vielen Bereichen des Lebens bemerkbar machen, sei es durch vorschnelles Antworten, das Übernehmen von riskanten Aufgaben ohne vorheriges Nachdenken oder das Unterbrechen anderer im Gespräch. Diese Impulsivität kann zu Konflikten in zwischenmenschlichen Beziehungen und zu Problemen am Arbeitsplatz führen.

Faktencheck zu gängigen Vorurteilen

Lassen Sie uns einige gängige Vorurteile über ADHS überprüfen:

1. ADHS ist eine Erfindung der Pharmaindustrie:

Ein weitverbreiteter Mythos ist, dass ADHS nur ein Konstrukt der Pharmaindustrie sei, um Medikamente zu verkaufen. Tatsächlich handelt es sich bei ADHS jedoch um eine anerkannte neurobiologische Störung, die in internationalen Klassifikationssystemen wie dem DSM-5 (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders) und der ICD-10 (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems) genau definiert ist. Diese Diagnosekriterien basieren auf jahrzehntelanger Forschung und werden von unabhängigen Wissenschaftlern entwickelt.

2. ADHS betrifft nur Kinder:

Ein weiteres Missverständnis ist, dass ADHS ausschließlich eine Kinderkrankheit sei. Studien zeigen jedoch, dass etwa 4,5 % der Erwachsenen weltweit an ADHS leiden. Häufig wird die Störung im Erwachsenenalter erst diagnostiziert, obwohl die Symptome bereits in der Kindheit vorhanden waren. Bei Erwachsenen äußert sich ADHS oft anders als bei Kindern – die Hyperaktivität tritt beispielsweise eher als innere Unruhe in Erscheinung.

3. ADHS betrifft nur Jungen:

ADHS wird bei Jungen häufiger diagnostiziert als bei Mädchen, was dazu geführt hat, dass es als "Jungenkrankheit" betrachtet wird. Allerdings zeigt die Forschung, dass auch Mädchen und Frauen unter ADHS leiden. Die Symptome äußern sich bei ihnen oft subtiler und werden daher seltener erkannt. Während Jungen eher durch hyperaktives Verhalten auffallen, neigen Mädchen dazu, stiller zu sein und ihre Unaufmerksamkeit nach innen zu richten, was dazu führt, dass ihre Probleme oft übersehen werden.

4. ADHS ist die Folge schlechter Erziehung:

Der Glaube, dass ADHS das Resultat von schlechter Erziehung sei, ist ein hartnäckiger Mythos. Tatsächlich hat ADHS organische Ursachen und ist keine Folge eines bestimmten Erziehungsstils. Es handelt sich um eine neurobiologische Störung, die genetische Komponenten hat. Verschiedene Studien haben gezeigt, dass ADHS in Familien gehäuft auftritt, was auf eine Vererbbarkeit der Störung hindeutet.

5. Menschen mit ADHS sind für viele Berufe ungeeignet:

Ein weiteres Vorurteil ist, dass Menschen mit ADHS in der Berufswelt eingeschränkt sind. Während ADHS eine Herausforderung darstellen kann, bedeutet dies nicht, dass Betroffene in ihrer Berufswahl eingeschränkt sind. Im Gegenteil: Viele Menschen mit ADHS zeichnen sich durch Kreativität, Energie und die Fähigkeit aus, in dynamischen Umfeldern erfolgreich zu sein. Mit den richtigen Anpassungen und einem unterstützenden Umfeld können sie in einer Vielzahl von Berufen erfolgreich sein.

Ursachen und Risikofaktoren für ADHS

Die genauen Ursachen von ADHS sind noch nicht vollständig geklärt, doch es gibt zahlreiche Hinweise auf biologische, genetische und umweltbedingte Faktoren, die zur Entstehung der Störung beitragen.

Genetische Faktoren:

ADHS hat eine starke genetische Komponente. Studien zeigen, dass ADHS in Familien gehäuft auftritt. Wenn ein Elternteil ADHS hat, besteht eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass auch das Kind betroffen ist. Zwillingsstudien haben ergeben, dass die Wahrscheinlichkeit, dass beide Zwillinge ADHS entwickeln, bei eineiigen Zwillingen höher ist als bei zweieiigen, was auf eine genetische Grundlage hinweist.

Biologische Ursachen:

Forschungen deuten darauf hin, dass ADHS mit Veränderungen in bestimmten Bereichen des Gehirns zusammenhängt, die für die Kontrolle von Aufmerksamkeit und Impulsen verantwortlich sind. Insbesondere das Dopamin-System, das für Belohnung und Motivation im Gehirn zuständig ist, scheint bei ADHS-Patienten nicht normal zu funktionieren. Bildgebende Verfahren haben gezeigt, dass bestimmte Hirnregionen, die an der Selbstregulation und Impulskontrolle beteiligt sind, bei Menschen mit ADHS unterschiedlich entwickelt sind.

Umweltfaktoren:

Neben genetischen und biologischen Ursachen können auch Umweltfaktoren eine Rolle spielen. Frühgeburten, niedriges Geburtsgewicht und Rauchen oder Alkoholgenuss der Mutter während der Schwangerschaft wurden mit einem erhöhten Risiko für ADHS in Verbindung gebracht. Auch der frühe Kontakt mit toxischen Substanzen, wie Blei, kann das Risiko erhöhen. Diese Faktoren können die Entwicklung des Gehirns beeinflussen und das Risiko für die Entwicklung von ADHS erhöhen.

Behandlung und Unterstützung

Die Behandlung von ADHS ist individuell und umfasst oft eine Kombination aus Verhaltenstherapie, Coaching und, in einigen Fällen, Medikation. Eine frühzeitige Diagnose und ein maßgeschneiderter Behandlungsplan können dazu beitragen, die Lebensqualität der Betroffenen erheblich zu verbessern.

Wenn Sie den Verdacht haben, dass Sie oder ein Angehöriger an ADHS leiden könnten, stehen wir Ihnen in unserer Praxis mit einem umfassenden Diagnostik-Angebot zur Seite. Unser erfahrenes Team bietet sowohl vor Ort als auch online eine detaillierte Diagnostik an, um eine präzise und zuverlässige Einschätzung zu gewährleisten.

Vor Ort: In unseren Praxisräumen bieten wir Ihnen eine umfassende Untersuchung, die persönliche Gespräche, detaillierte Anamnesegespräche und standardisierte Fragebögen umfasst. Dazu gehören spezifische Tests und Verhaltensbeobachtungen, um ein genaues Bild der Situation zu gewinnen und Ihnen passende Therapieoptionen aufzuzeigen.
Online: Für diejenigen, die eine flexible und ortsunabhängige Möglichkeit bevorzugen, bieten wir auch eine Online-Diagnostik an. Über eine sichere und datenschutzkonforme Plattform können Sie bequem von zu Hause aus an den notwendigen Gesprächen und Tests teilnehmen. Die Online-Diagnostik umfasst ebenfalls detaillierte Anamnesegespräches sowie die Nutzung standardisierter Fragebögen. Auch hier werden wir alle notwendigen Schritte unternehmen, um eine verlässliche Diagnose zu stellen und die bestmöglichen Behandlungsempfehlungen zu geben.

Fazit

ADHS ist eine komplexe und oft missverstandene Störung. Es ist wichtig, die Mythen und Missverständnisse zu durchbrechen, um ein besseres Verständnis für die Herausforderungen, aber auch für die Stärken von Menschen mit ADHS zu entwickeln. Indem wir uns über die Realität von ADHS informieren und die betroffenen Personen unterstützen, können wir dazu beitragen, dass sie ein erfülltes und erfolgreiches Leben führen.

Quellen:

https://www.adhs-ratgeber.com/adhs-diagnose-verfahren.html

https://www.tk.de/techniker/gesundheit-und-medizin/behandlungen-und-medizin/psychische-gesundheit/weitere-psychische-erkrankungen/aufmerksamkeitsdefizit-und-hyperaktivitaetsstoerung-adhs-2096068

https://www.adhs-deutschland.de/

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