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Stellen Sie sich vor, Sie müssen plötzlich vor einem großen Publikum eine Präsentation halten, ohne jegliche Vorbereitung. Alle Augen sind auf Sie gerichtet, und Sie sollen auf der Bühne glänzen. Ein Albtraum, nicht wahr?
Diese Situation würde wohl bei den meisten Menschen Nervosität hervorrufen - und das ist verständlich! Ähnliche Gefühle erleben Menschen mit sozialer Phobie jedoch nicht nur in solch außergewöhnlichen Situationen, sondern auch in alltäglichen sozialen Interaktionen.
Menschen mit sozialer Phobie haben eine übermäßige Angst davor, von anderen negativ bewertet oder bloßgestellt zu werden. Das Zentrum der Aufmerksamkeit zu sein, ist für sie äußerst belastend. Sie sind ständig besorgt darüber, wie sie auf andere wirken könnten – sei es durch ihre Körperhaltung, ihre Worte oder ihr Verhalten. Diese fortwährende Besorgnis kann äußerst belastend sein und führt häufig dazu, dass Betroffene soziale Situationen meiden.
Es ist wichtig, zwischen Schüchternheit und sozialer Phobie zu unterscheiden. Während Schüchternheit oft als Charaktermerkmal gilt und gelegentliche Nervosität in sozialen Situationen normal ist, führt die soziale Phobie zu einer ausgeprägten Vermeidung sozialer Situationen und kann das Leben erheblich einschränken. Die Angst, im Mittelpunkt zu stehen oder von anderen negativ bewertet zu werden, ist bei sozialer Phobie allgegenwärtig und unverhältnismäßig stark. Menschen, die einfach nur schüchtern sind, schaffen es oft dennoch, soziale Herausforderungen zu meistern, während Menschen mit sozialer Phobie oft das Gefühl haben, solche Situationen nicht bewältigen zu können.
Betroffene haben eine intensive Angst vor sozialen Situationen, in denen sie bewertet oder beobachtet werden könnten. Häufige Beispiele aus dem Alltag sind:
Der Gedanke, in einem vollen Bus oder Zug zu sitzen und von anderen beobachtet zu werden, kann Panik auslösen.
Sogar alltägliche Erledigungen wie das Einkaufen können zur Herausforderung werden, da Betroffene sich Sorgen machen, von anderen Kunden oder Verkäufern bewertet zu werden.
Viele Menschen mit sozialer Phobie meiden Smalltalk oder einfache Gespräche mit Nachbarn oder Kollegen, weil sie befürchten, nicht die „richtigen“ Dinge zu sagen.
Diese scheinbar harmlosen Situationen können für Menschen mit sozialer Phobie überwältigend sein. Die Angst davor, sich zu blamieren, ungeschickt zu wirken oder falsch verstanden zu werden, führt oft zu einem Rückzug aus dem sozialen Leben. Viele Betroffene entwickeln Vermeidungsstrategien und ziehen sich mehr und mehr aus ihrem Umfeld zurück.
Die soziale Phobie kann nicht nur psychisch, sondern auch körperlich belastend sein. Zu den häufigsten körperlichen Symptomen zählen:
Viele Menschen mit sozialer Phobie erleben ein plötzliches, unkontrollierbares Erröten, wenn sie im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen. Dies wird oft als äußerst unangenehm empfunden und verstärkt die Angst, da es als sichtbares Zeichen der Nervosität wahrgenommen wird.
Intensive Nervosität kann zu starkem Schwitzen führen, was die Betroffenen zusätzlich verunsichert.
Besonders in sozialen Situationen tritt häufig Zittern der Hände oder sogar des gesamten Körpers auf.
Diese Symptome können so intensiv werden, dass sie wie eine Panikattacke wirken und den Betroffenen das Gefühl geben, sie hätten keine Kontrolle über ihren Körper.
Die psychische Belastung durch die ständige Angst vor negativen Bewertungen kann tiefgreifend sein. Menschen mit sozialer Phobie haben oft ein geringes Selbstwertgefühl und sind davon überzeugt, dass sie in den Augen anderer ständig kritisiert oder abgelehnt werden. Sie nehmen sich selbst als unzulänglich wahr und neigen dazu, ihre Stärken zu übersehen.
Auch die Selbstbeobachtung ist ein entscheidender Faktor bei der sozialen Phobie. Betroffene beobachten sich ständig selbst und analysieren ihre eigene Wirkung auf andere übermäßig kritisch. Diese übertriebene Selbstaufmerksamkeit verstärkt die Angst, und jeder kleine Fehler – sei es ein Stolpern, ein Versprecher oder ein rotes Gesicht – wird als Beweis für eine negative Bewertung durch andere gewertet.
Die Ursachen der sozialen Phobie sind komplex und können sowohl genetische, umweltbedingte als auch psychologische Komponenten umfassen. Zu den häufigsten Ursachen gehören:
Viele Menschen, die später eine soziale Phobie entwickeln, haben in ihrer Kindheit und Jugend negative soziale Erfahrungen gemacht. Dazu gehören Mobbing, Hänseleien oder Ausgrenzung, die das Selbstwertgefühl dauerhaft schädigen können.
Auch das familiäre Umfeld kann eine Rolle spielen. Kinder von übermäßig kritischen oder stark kontrollierenden Eltern haben ein erhöhtes Risiko, soziale Phobien zu entwickeln. Wenn Kinder ständig das Gefühl haben, dass sie den Erwartungen ihrer Eltern nicht genügen oder unter ständiger Beobachtung stehen, kann dies die Angst vor Bewertungen verstärken.
Es gibt Hinweise darauf, dass soziale Phobie genetische Wurzeln hat. Studien zeigen, dass Verwandte ersten Grades von Menschen mit sozialer Phobie ein höheres Risiko haben, selbst an einer sozialen Angststörung zu erkranken (Stein et al., 1998).
Introvertierte Menschen, die ohnehin eher dazu neigen, sich zurückzuziehen und soziale Situationen als stressiger zu empfinden, sind anfälliger für die Entwicklung einer sozialen Phobie.
Ein weiteres wichtiges Thema im Zusammenhang mit der sozialen Phobie ist die Komorbidität, also das gleichzeitige Auftreten mehrerer psychischer Störungen. Menschen mit sozialer Phobie leiden häufig auch unter anderen psychischen Erkrankungen, wie:
Da soziale Phobien oft zu Isolation und Rückzug führen, steigt das Risiko, dass Betroffene depressive Symptome entwickeln.
Häufig treten neben der sozialen Phobie auch andere Angststörungen wie generalisierte Angststörung oder Panikstörung auf.
Einige Menschen versuchen, ihre Ängste durch den Konsum von Alkohol oder Drogen zu dämpfen. Dies kann kurzfristig Erleichterung verschaffen, langfristig jedoch zu Abhängigkeit und zusätzlichen Problemen führen.
Die soziale Phobie ist gut behandelbar, und es gibt verschiedene Ansätze, die helfen können:
Die KVT ist die am häufigsten empfohlene Therapieform bei sozialer Phobie. Dabei lernen Betroffene, negative Denkmuster zu erkennen und zu verändern. Ein zentraler Teil der Therapie ist die sogenannte Expositionstherapie, bei der Patienten schrittweise mit angstbesetzten sozialen Situationen konfrontiert werden, um ihre Angst zu überwinden.
In einigen Fällen kann die Behandlung mit Medikamenten wie selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRIs) hilfreich sein. Diese Antidepressiva können die Symptome der Angst lindern und werden oft begleitend zur Psychotherapie eingesetzt.
Diese speziellen Trainingsprogramme helfen Betroffenen, ihre sozialen Fähigkeiten zu verbessern und den Umgang mit anderen Menschen zu üben. Ziel ist es, Unsicherheiten abzubauen und mehr Selbstbewusstsein in sozialen Situationen zu entwickeln.
Neben der professionellen Hilfe gibt es einige Selbsthilfestrategien, die Betroffenen helfen können, mit ihrer Angst umzugehen:
Die soziale Phobie kann das Leben stark beeinträchtigen, doch es gibt effektive Möglichkeiten, mit dieser Angststörung umzugehen. Wenn Sie vermuten, an einer sozialen Phobie zu leiden, zögern Sie nicht, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Sie sind nicht allein – viele Menschen haben ähnliche Ängste und finden Wege, sie zu überwinden. Der Austausch darüber kann Mut machen und zeigen, dass man die Angst nicht allein bewältigen muss.
Wenn Sie sich von sozialer Phobie betroffen fühlen oder jemanden kennen, der darunter leidet, können Sie sich jederzeit an die Psychotherapiepraxis Hofer von Lobenstein wenden. Dort erhalten Sie professionelle Unterstützung, individuelle Beratung und maßgeschneiderte Therapieansätze, um die Angst zu überwinden und ein erfülltes soziales Leben zu führen. Zögern Sie nicht, den ersten Schritt zu machen – Sie müssen diesen Weg nicht allein gehen.
Quellen:
Stein, M. B., Chartier, M. J., Hazen, A. L., & Krasny, R. M. (1998). "Heritability and social network in social phobia: Genetic and environmental contributions to interpersonal stress." American Journal of Psychiatry, 155(1), 91-93.
Hettema, J. M., Neale, M. C., & Kendler, K. S. (2005). "A Review and Meta-Analysis of the Genetic Epidemiology of Anxiety Disorders." American Journal of Psychiatry, 162(9), 1568-1578.
Clark, D. M., & Wells, A. (1995). "A Cognitive Model of Social Phobia." In R.G. Heimberg, M.R. Liebowitz, D.A. Hope, & F.R. Schneier (Eds.), Social Phobia: Diagnosis, Assessment, and Treatment (pp. 69–93).
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